Ich bin Stand September 2025 etwas über 4 Jahre in der Selbstständigkeit als freier Software Engineer und Trainer. In dieser Zeit habe ich vieles ausprobiert, um mein Angebot weiter zu verbessern, mehrere Kundenbeziehungen aufzubauen und auch um eine gesunde Work-Life Balance einzuhalten. Letzteres ist in Bezug auf Selbstständigkeit ein schwieriger Begriff, arbeitet man doch als Selbstständiger i. d. R. mehr, als bei einer Anstellung üblich ist. Nichtsdestotrotz ist es mir wichtig, eine gewisse Balance zu halten. Vor ca. 2 Jahren, also im Jahr 2023, habe ich deswegen für mich ein Überstunden-Konto eingeführt. Wie ich das für mich als Solo-Selbstständiger definiert habe und was mir das in Bezug auf Work-Life Balance bringt, beschreibe ich in diesem Artikel.
Wie sich meine Arbeit aufteilt
Bevor ich auf mein Überstunden-Konto eingehe, möchte ich noch ein paar Hintergründe zu meiner Arbeit an sich schreiben. Schließlich sieht der Arbeitsalltag eines jeden Solo-Selbstständigen stark unterschiedlich aus. Bei mir als freier Softwareengineer beschäftige ich mich den überwiegenden Teil meiner Zeit mit der Entwicklung von Software für meine Kunden. Entweder direkt als Softwareentwickler, in einer Lead-Rolle oder einer anderen vergleichbaren Position. Mit anderen Worten: Ich verkaufe eine Dienstleistung und rechne i. d. R. nach Stunden ab.
Ein anderer Teil meiner Arbeit sind Schulungen. In diesem Fall biete ich meine Dienstleistung als Trainer an und rechne hier i. d. R. nach Tagen ab. Schulungen sind bei mir aktuell der kleinere Teil und schwankt derzeit zwischen 20% und 30% meines Jahresumsatzes.
Motivation für ein Überstunden-Konto
Ich mache gerne Sport und liebe den Sommer. Das führt dazu, das ich in der Regel im Winter mehr arbeite als in der warmen Jahreszeit. Im Winter ist es für mich kein Problem, das eine oder andere Wochenende mehr zu arbeiten oder allgemein auch unter der Woche mehr zu machen. Anders verhält es sich im Sommer. Hier versuche ich mehr Zeit für andere Dinge zu haben wie Wandern, Radfahren oder sonstige Ausflüge.
Im zweiten Jahr meiner Selbstständigkeit war diese Unterscheidung Sommer / Winter tatsächlich ein kleines Problem – wenn auch wohl nur ein psychologisches. Mein Problem war die Frage: „Kann ich mir es morgen erlauben, einfach den ganzen Tag eine Radtour zu machen und nicht zu arbeiten?“. Wenn man im Winter mehr arbeitet, ist das an sich kein Problem. Man hat es aber nicht auf Schwarz und Weiß und beantwortet die Frage eher nach Gefühl oder ggf. nach dem aktuellen Stand auf dem Geschäftskonto – der trügerisch sein kann.
Das war der wichtigste Grund, warum ich mich für ein Überstunden-Konto entschieden habe. Das Überstunden-Konto beantwortet direkt die Frage, ob man sich zusätzliche freie Tage neben Urlaub / Weiterbildungszeit leisten kann oder eben nicht.
Was ist eine Überstunde für einen Solo-Selbstständigen?
Als Solo-Selbstständiger gibt es den Begriff der Überstunde eigentlich ist. Was sich genau dahinter verbirgt, kann man für sich selbst definieren. In meinem Fall bin ich wie folgt vorgegangen:
- Bez. Überstunden betrachte ich nur einem Kunden abrechenbare Stunden – also die Stunden, mit denen man Geld verdient.
- Ich kalkuliere die Anzahl der Stunden, die ich im Jahr an Kunden mindestens verrechnen möchte
- Ich führe eine Zeiterfassung, bei der ich alle für Kunden geleisteten Stunden eintrage
- Ich berechne, wie viele Stunden pro Arbeitstag lt. Kalkulation notwendig sind – auf dieser Basis kann man für jeden Tag im Jahr berechnen, wie viele Stunden bis dahin lt. Kalkulation SOLL sind. Alle darüber abgerechneten Stunden sind Überstunden.
Was mir wichtig ist: Alle nicht abrechenbare Stunden sind aus dieser Rechnung draußen. Das ist nicht nur Urlaub, sondern auch Zeit für Weiterbildung, Feiertage, Krankheitstage und verschiedene andere Dinge. All das wurde entweder vorher schon einkalkuliert (wie Urlaub, Feiertage und Weiterbildung) oder läuft auf Überstunden (insb. spontane Ausflüge).
Fazit aus nun fast drei Jahren
Nach etwa 2 Jahren mit einem Überstunden-Konto ziehe ich für mich ein sehr positives Fazit daraus. Überraschenderweise führt es nicht dazu, dass man weniger arbeitet. Ganz im Gegenteil, in den letzten Jahren hatte ich stets eine dreistellige Überstunden-Zahl (mein Jahresrekord sind 321 Überstunden in einem Jahr). Es führt aber dazu, dass man sich in verschiedensten Situationen entspannt zurücklehnt und sich denken kann: „OK, das war heute genug“. Oder: „Die Kunden sind versorgt, morgen passt das Wetter, also nehme ich frei“.
Die Vorteile gelten nicht nur für die weiter oben beschriebene Verteilung der Arbeitszeit auf Sommer / Winter, sondern auch in ganz anderen Situationen:
- Auf Konferenzen, wenn man sich noch mit Bekannten trifft und netzwerkt
- Bei Trainings, wenn man einen Tag verlängert und noch einen Ausflug in der Region des Kunden macht
- Bei Workation, wenn man sich an einem Tag entscheidet, vielleicht doch den Urlaubsanteil zu vergrößern
- Bei Weiterbildung, wenn man sich für bestimmte Themen einfach mehr Zeit nehmen möchte
Für mich ist das Überstunden-Konto somit ein wichtiges Element meiner selbstständigen Tätigkeit und fördert für mich eine gesunde Work-Life Balance.